Die Schweizerin von Lemnos

Lea Isaak | 15.12.2016

Brigitte Georgoudis wusste: Die einzige Möglichkeit ihr Griechisch zu verbessern war ein Job als Reiseleiterin. Sie kam nicht nach Mykonos und auch nicht nach Korfu, sondern landete auf Lemnos, einer kleinen, unbekannten Insel – und blieb.

Interview im aktuellen art & reisen Magazin. Aufgezeichnet von Stefanie Schnelli

«20 Taxis und 100 Schafe. Das war mein erster Eindruck von Lemnos, als ich vor 27 Jahren hier ankam. Und eigentlich muss ich sagen, hat sich an diesem Bild gar nicht viel verändert. Lemnos liegt im Norden Griechenlands, nahe an der Türkischen Grenze, weitab von den Touristenströmen. Hier gibt es weder die typisch weiss-blauen Häuschen, noch Hotelbunker, noch Jubel-Trubel. Dafür ist Griechenland hier noch so, wie es andernorts vor 30 Jahren war. Man kann bei den Leuten in die Küche laufen, alleine am Strand sitzen und es leben das ganze Jahr über etwa gleich viele Menschen auf der Insel.

Die Gäste die kommen, landen nicht zufällig. Sie suchen diese Ruhe und die Natur. Es sind immer wieder bekannte Leute darunter, die inkognito reisen. Einmal war zum Beispiel Carla del Ponte hier. Unter den Griechen ist die Insel ein Geheimtipp. Wir haben wunderschöne, sanft abfallende Sandstrände, unzählige Vogelarten und mehrere Salzwasserbiotope. Letzte Woche war ich morgens an einem solchen Salzsee. Er war voller Flamingos, eine Schildkröte ist mir über den Weg gelaufen und Hasen sind davongestoben. Unglaublich schön! Ich war am Auskundschaften. Seit vergangenem Jahr arbeite ich für Baumeler Reisen als Reiseleiterin für Wandergruppen. Ich bin auf Lemnos, aber auch auf anderen Inseln unterwegs. Es bereitet mir grosse Freude, meinen Landsleuten meine neue Heimat näher zu bringen und ich bin sehr bemüht, ihnen Dinge zu zeigen, die sie alleine nicht finden würden. Letztens zum Beispiel, habe ich beim Rekognostizieren eine Bäuerin nach dem Weg gefragt. Sie hat mich mit ihrem Esel lange begleitet. Dann haben wir spontan vereinbart, dass ich mit meiner Gruppe bei ihr vorbei komme und sie uns in ihrer Stube etwas Käse, Oliven und Brot auftischt. Solche Dinge sind hier noch möglich.

Ich war früher schon einmal Reiseleiterin. Schon in jungen Jahren hat mich die Griechische Sprache, Geschichte und Mythologie fasziniert. Nach einer Buchhändlerlehre und ein paar Jahren beim Bankverein hatte ich mich mit 24 entschieden, mir meinen Traum zu erfüllen und ich ging nach Athen, um griechisch zu lernen. Doch die zwei Monate reichten mir nicht aus und ich wusste, dass mich nur ein Job als Reiseleiterin für länger nach Griechenland führen würde. Ich bewarb mich bei Kuoni und mir wurde eine Stelle auf Mykonos angeboten. Aber das war mir zu wenig griechisch. Das Klubhotel auf Kreta ebenfalls. Und da sagte die Verantwortliche: «Wir haben da noch eine vergessene Insel im Norden...» So kam ich nach Lemnos. Ich lernte schnell meinen Mann kennen und die Geschichte nahm ihren Lauf.

Ich bin die einzige Schweizerin auf der Insel, aber ich war schnell sehr integriert. Die Griechen finden es zwar komisch, dass ich so viel zu Fuss unterwegs bin, aber sie haben sich daran gewöhnt. Und meine Gäste freuen sich, dass ich ihnen so schöne Ecken der Insel zeigen kann. Ecken, die sie alleine bestimmt nicht entdeckt hätten.»


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