Abenteuer Hongkong - eine Malreise mit Willi Fikisz

Steffi Hartstang | 30.11.2018

Gut zwölf Stunden Flug in eine andere Welt legen vor uns. Eine kleine Gruppe von Schweizern und Deutschen hatte sich zusammengefunden, um gemeinsam, organisiert vom Schweizer Veranstalter Baumeler, unter der Fittiche von Willi zu malen, um zusammen acht Tage lang die Faszination Hongkong zu erleben. Eines vorweg: es hätten gern noch ein paar Tage mehr sein dürfen.

Denn acht Tage, die sich zunächst so wohltuend lang vor uns auszudehnen schienen, lösten sich geradezu in Luft auf. Doch gerade weil wir so viel erlebten, weil unsere Tage so ausgefüllt waren, vergingen sie auch wiederum gemächlich - ein Gegensatz, wie er so typisch ist für diese faszinierende Stadt.

Hongkong ist modern und altmodisch, ist glitzernde Fassade eingerüstet in Bambus, ist Strassenmarkt neben Wolkenkratzer, ist Tempel neben Kirche, ist türkises Wasser neben Strassenschlucht, ist Dim Sum Restaurant neben Coffee Shop, ist Ding Ding über U-Bahn und Boat People neben arroganter Yacht.

Hongkong ist vor allem eins: unfassbar bunt, ein unendliches Fest für Auge und Pinsel, voll gespickt mit Motiven, die sich manchmal ganz offensichtlich, oft aber auch nur versteckt offenbaren. Es ist lebenslustig und gefrässig; es ist unglaublich reich und unglaublich arm; immer weiter reckt es seine Arme hinaus ins Meer, tentakelgleich, immer höher strebt es zum Himmel empor - und ist doch gemächlich und traditionell, verhaftet in Ahnenverehrung und Taoismus, in Buddhismus und Konfuzianismus. Es ist schnell in seiner Entwicklung und langsam in seinem Lebensrhythmus - wie wohltuend oft mussten wir unsere schnellen europäischen Schritte den ruhigen, bewussten unserer Gastgeber anpassen.

Wir malten vom umnebelten Peak herunter auf Hongkong Island: die Bank of China mit ihren gläsernen Fassaden und nach Feng Shui allzu spitzen Winkeln und Kanten, dagegen die HSBC mit ihren angeblich darauf gerichteten «Gewehren», ein hoch aufragender IFC und zwei sich umarmende Koalabären des Lippo Centres. Gegenüber Kowloon, getrennt von Hongkong Island durch das an diesem Tag triste Wasser, wo sich, überragt vom silbrig schimmernden ICC Tower, Hochhaus an Hochhaus vor grünen Hügeln unendlich aneinander zu reihen schien.

Wir malten von Kowloon nach Hongkong Island, bei strahlendem Sonnenschein, neugierig beäugt und oft fotografiert von Sonntagsausflüglern, für die die malenden Europäer eine unerwartete Attraktion darstellten. Wir malten auf Cheung Chau, einer Insel etwa zehn Kilometer entfernt von Hongkong Island, sassen entlang der Uferpromenade mit Blick auf ungezählte Boote und Schiffe, die für uns alle ein fremdes und spannendes, auch aufregendes, Motiv bedeuteten, in das Willi uns geduldig einführte. Wir assen Dutzende mit Mango gefüllte Mochis und speisten abends vor einem gewaltigen Sonnenuntergang.

Wir malten in Aberdeen bei den Boat People, wo der Wind beharrlich versuchte, uns unsere Bilder zu entreissen, während wir versuchten, Boote und Häuser aufs Papier zu zaubern. Ein altes Ehepaar hangelt sich auf seiner provisorischen Fähre an einem Seil entlang zu seinem ehemals grün gestrichenen Hausboot, im Hintergrund moderne Hochhäuser, Spiegelbild einer Parallelgesellschaft.

Wir malten in Tai O, einem früheren Fischerdorf und Zufluchtsort, das sich als pittoreskes Pfahldorf auf unzähligen Stelzen entlang des gleichnamigen Flusses im Westen von Lantau erstreckt. Verfall und liebevolles Erhalten in unmittelbarer Nachbarschaft, gegrillte Ananas beim Strassenhändler und kuriose Tiefkühlpizza im heimeligen Restaurant unserer Gastgeberin, von deren Terrasse aus wir malen durften.

Wir wetteten im Hong Kong Jockey Club vor einer grandiosen Kulisse, speisten unter Einheimischen im Dim Sum Restaurant, in dem wir ohne Gabi, die perfekt Kantonesisch spricht, verloren gewesen wären; wir besuchten den Man Mo Tempel mit seinen unzähligen Räucherspiralen, die Gebete und Wünsche der Gläubigen zu den Göttern empor tragen; beobachteten die Schildkröten in den Teichen der Stadtparks und bewunderten jahrhundertealte Baumriesen, die unbeirrt ihre knorrigen Finger nach leuchtenden Reklametafeln ausstreckten. Wir reckten die Hälse zur luftigen Decke in der verschwenderischen Halle des Finanztempels von HSBC, tranken chinesischen Heiltee auf dem langen Rollband entlang der Wohnhäuser in Sheung Wan und Portwein und Tequila (bitte mit Zimt und Orange) hoch über den Dächern der nächtlichen Metropole, die verschwenderisch blaue und rote und rosa Farbe ins Wasser ergoss und deren Strassen sich als goldene Lebensadern durch die Stadt wanden. In Aberdeen, umringt von schwindelnd hohen Wohnhäusern, schipperten wir vorbei an kleinen und grossen Booten, teils verfallen, teils bewohnt, passierten Werften und protzige Yachten, zum Trocknen aufgehängte Fische, schwimmende Restaurants, die Vorderseite protzig bunt, die Rückseite rostig grün. Auf dem Nachtmarkt in der Temple Street kauften wir Pinsel und stürzten durstig chinesisches Bier hinunter, assen süsse Reisbällchen in Vanillesauce bei Ching Ching Desserts; wir schlenderten durch Strassenmärkte mit ihren kleinen Geschäften und Ständen, in denen zappelnde Fische und gerade zerlegtes Schweinefleisch neben knackigem Gemüse und bunt leuchtendem Obst, Tofu, frisch und in langen getrockneten Strängen, neben Dim Sum und gebratenen Enten offeriert wurden und wo unsere Sinne von einer Geruchsexplosion fast betäubt wurden. Orangefarbene Pendelleuchten und ein Fischhändler, der in gelben Gummihandschuhen stolz auf glänzende Leiber zeigt, liessen uns die Kameras zücken. Ein giftgrünes Ding Ding bahnt sich läutend seinen Weg durch die Menge.

Für einige noch einmal Ching Ching, für andere ein High Tea im Peninsula. Allzu schnell starrten wir aus den Fenstern unseres Busses ein (zumindest vorerst) letztes Mal zurück auf die immer kleiner werdende leuchtende Stadt.

Bái bái und danke, lieber Willi, für diese unglaublich tolle Reise! Für eine fantastische Zeit, eine lehrreiche Zeit, eine genussvolle Zeit mit ungeahnt reichen Eindrücken, die - und da bin ich sicher - noch lange Zeit in jedem von uns nachklingen werden. Ein Fest für die Seele, für alle Sinne!

 

 


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