Ich wünsche dir einen langen, tiefen Schlaf.

Irma Huber-Meier | 15.12.2016

Ein kapverdisches wahres Märchen

Lieber Pico do Fogo, im November 2014 fuhr eine Baumelergruppe früh morgens hinauf in die Caldeira. Die ganz Starken zog es in Begleitung eines Bergführers auf den fast 3000 Meter hohen „Pico Grande“ einen fast erloschenen, bilderbuchhaften Vulkankegel mit einer Rundsicht über die ganze, gleichnamige Insel Fogo.

Die Mehrheit der Gruppe entschied sich, ebenfalls mit einem einheimischen Bergführer, dir, dem „Pico Pequeno“ einen Besuch abzustatten. Du, der nicht so grosse, wie dein Grossvater, du, der im Jahr 1995 letztmals deine feurige Seite gezeigt hast, du, der immer noch etwas von deiner Wildheit demonstriertest.

Neçito, unser Bergführer lotste uns über riesige erstarrte Lavafelder und erklärte uns die einheimische Flora inmitten weiten Aschefeldern. Die Einheimischen buddeln jedes Pflänzchen in ein, von Steinen umringtes Loch, um dem Wind Einhalt zu gebieten und den nächtlichen Tau zu sammeln: Kongobohnen wachsen neben Baumwolle, Miniatur-Quittenbäumchen neben noch kleineren Apfelbäumchen, beide tragen Früchte und blühen zugleich. Kürbisse schlängeln sich über tiefschwarzes Aschegranulat, Süsskartoffeln geben Maniokstauden ein Stelldichein und unzählige Reben erwarten die ersten Sonnenstrahlen. Nebst dem sanften Wandertourismus lebt Fogo vom Wein, der genau hier, auf 1700 Metern Höhe, in einem Mikroklima sondergleichen wächst und gedeiht.

Kannst du dich noch an uns erinnern? Wir machten auf deinem Kopf eine kleine Pause, fotografierten dich und staunten über deine heissen Innereien! Nach der 4-stündigen Wanderung besuchten wir das, von den Deutschen erbaute, im letzten August eingeweihte Naturschutzzentrum mit Museum um anschliessend bei einem feinen, einheimischen Essen mit Spannung zu hören, was unsere Freunde vom hohen Pico zu erzählen wussten. Feijoada kochten sie uns, ein Bohnengericht, angereichert mit Karoffeln, Maniok, Hühnchen und Säuli- alles hier Oben angebaut.

Und dann, sechzig Stunden später wolltest du es uns zeigen: Mit wütendem, lautem Grollen bist du erwacht. Innert wenigen Tagen hast du alles zerstört, was die Menschen hier in unsäglich mühsamer Handarbeit errichtet hatten. Die liebevoll gehegten Pflänzchen, die einfachen Behausungen, Wasserstellen, Schule und Kirche, der geliebte Fussballplatz und das monumentale x-Millionen Euro schwere Naturschutzzentrum, das alles hast du unter deinem feurig heissen Speichel begraben!

In den hiesigen Zeitungen wurdest du kaum erwähnt. Ich aber verfolgte dein Tun jeden Tag via Internet, kapverdischen Medien und Freunden. Und wenn ich ihnen allen Glauben schenken darf, bist du nun wieder eingeschlafen. Ich hoffe ganz fest, dass du einen tiefen Dornröschenschlaf schläfst und dich weder eine Baumelergruppe noch sonst ein schöner Prinz je wieder erweckt.


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