Filmreif – Naturschauspiel im Nordatlantik

Lea Isaak | 13.12.2016

Gewaltig und sanft, üppig und karg, romantisch und kühl: Die Landschaft auf den Kanarischen Inseln bietet alles, was ein Wanderherz begehrt.

Text: Nina Kobelt, Journalistin Berner Zeitung

Purpurroter Wolfsmilch

Mächtige, rote Felsen ragen über dem Weg, wüstenartig der Pfad zum Gipfel. Der Himmel ist tiefblau, die Sonne brennt, aber nicht zu sehr, und ein Zitronenfalter versteckt sich hinter einem Stein: Wandern auf den Kanarischen Inseln ist, als ob man in einem Western mitspielen würde. Fast glauben wir, unten im Tal Cowboys durch die Prärie reiten zu sehen.

Die Kanaren werden auch «Inseln des ewigen Frühlings» genannt. Es ist immer warm hier, im Sommer heiss. Sieben Hauptinseln sind es, und alle klingen sie verheissungsvoll: Tenerife, Lanzarote, La Gomera, Gran Canaria, El Hierro, La Palma und Fuerteventura. Jede hat ihren eigenen Charakter und Charme.

Drama oder Märchen?
Es ist so still, als wir den Berg hoch wandern, fast gespenstisch, und man meint die Nadeln der Kanarischen Kiefer fallen zu hören. Jeder Tag hier ist anders. Heute gehen wir durch einen Märchenwald. Losgewandert sind wir unter Orangen- und Zitronenbäumen, die Früchte leuchteten hell auf schwarzer Erde. Jetzt schreiten wir durch einen dichten Wald, Schafe liegen anfangs auf unserem Weg, sie beobachten uns gelangweilt. Dann finden wir am Wegrand Mandeln, wir schlagen sie mit einem Stein auf, sie sind bitter! An einem Kaktus kommen wir auch vorbei, wir stibitzen eine Frucht, sie leuchtet rot und schmeckt süss. Dann müssen wir den erloschenen Vulkan hochkraxeln, den Kegel sehen wir nicht, denn jetzt kommt Nebel auf. Unsere Wanderkarten sind gut, kein Problem, kleinste Weggabelungen und Felsen und überhaupt alles ist darauf eingezeichnet. Giftgrüne Pflanzen schimmern geheimnisvoll auf rotem Waldboden und auch Ansammlungen von kleinen Pilzen, die ihre Köpfe zusammenstecken, begeistern uns. Wandern auf den Kanarischen Inseln ist, als ob man in einer Märchenlandschaft herumreisen würde.

Nationalpark Timanfaya, Lanzarote

Szenenwechsel
Die Kanarischen Inseln sind eine Welt für sich – der Archipel ist eine Art Gruppe von Mini-Kontinenten. Hier leben Tiere und Pflanzen, wie sie sonst nirgends auf der Welt vorkommen. Etwa der faszinierende Albinokrebs auf der Insel Lanzarote oder die riesigen Echsen auf El Hierro. Die bekanntesten Inseln sind Gran Canaria und Tenerife, beide von wilder Schönheit. Sei es in den verschlafenen Dörfern, in einsamen Tälern oder romantischen Hügeln. Apropos: Auf Tenerife sitzt majestätisch der höchste Berg Spaniens, der Pico del Teide. Auf La Gomera schliesslich gibt es Regenwald und Bananenplantagen und auf Lanzarote schwarze Strände.

Haria, Lanzarote

Im Hintergrund glitzert das Meer. Riesige Wolfsmilchgewächse, ähnlich den Kakteen, säumen den Wanderweg. Wie stille Wächter begleiten sie, wer hier durchschreitet. Im Lorbeerwald schreit ein Vogel, ein Natternkopf, eine riesige Pflanze, streckt sich dem Himmel empor, und die Blüten des Teideginsters verströmen einen umwerfenden Duft. Aloe Vera am Wegrand, und da ist auch noch der Kanarische Drachenbaum: Wandern auf den Kanaren ist auch ein bisschen wie Lesen in einem Fantasyroman. Nur viel besser.


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