Reisen mit «Krone» und Velohelm

Beat Werthmüller | 13.07.2020

Die letzte Wanderreise meiner Reiseleiterkarriere war in Mallorca und endete genau mit dem Beginn des Lockdowns in der Schweiz. Ein unschönes Gefühl, in Zürichs leerem Flughafen anzukommen, mit dem Wissen, dass Einkaufen, Freunde treffen und mit den Nachbarskindern spielen nun nicht mehr möglich sein wird. Die Hoffnung, bald wieder reisen zu können, stand in meinem Kopf immer an forderster Front. Und siehe da, ich kam als letzter Baumeler-Reiseleiter zurück in die Schweiz und war der Erste, der wieder im Ausland mit einer Gruppe Elektrobikern von Bern nach Paris unterwegs war. Viele Telefonanrufe, Mails und Briefe mit den Hotels, Restaurants, Museen und anderen Leistugsträgern gingen der Unternehmung voraus. Wir wollten die Kunden ja nicht gefährden, ihnen aber eine schöne Reise ermöglichen, auf die sie sich gefreut hatten. Unsere Leistungsträger waren alle sehr kooperativ und freuten sich auf unser Kommen. So machten sie alles möglich, was im Rahmen der Gesetze erlaubt war.

Die körperliche Distanz wurde durch engeres Zusammenrücken im zwischenmenschlichen Bereich voll und ganz aufgefangen. Die bekannte Baumeler-Zusammengehörigkeit erhöhte sich durch echte Achtsamkeit zu einem gewaltigen Gruppengefühl. Die Neugäste und die vielen Stammgäste, die schon viele Reisen mit mir gemacht hatten, verschmolzen ab dem ersten Tag zu einer herzlichen Interessengemeinschaft. Alle waren sich bewusst, dass es viele Neuerungen im Nachbarsland Frankreich zu erleben gab. Alle waren bereit, sich entsprechend anzupassen.

Die Kanäle waren ohne Schiffe "Noch nicht erlaubt", die Radwege ohne Radfahrer und die Strassen oft mit sehr wenig Verkehr und von uns beinahe allein bevölkert. Das gab uns die Möglichkeit, beinahe überall anzuhalten, die Sonnenblumen-, Hanf-, Lein- und Mohnfelder sowie die Weinberge zu geniessen. Überraschungen, wie Familienfest auf dem Radweg mit Tischen, Bänken, Grossmutter, Kind und Kegel waren nur möglich, weil keiner glaubte, dass Touristen mit dem Velo unterwegs sein würden. Skuril aber lustig.

Meine Gäste waren vorbildlich und hielten sich an die Regeln... der Reiseleiter war da bei den Stopstrassen nicht ganz so konsequent... waren wir doch allein unterwegs. Jedes Hotel hatte eigene Regeln, die von fast normal bis kompliziert und schon eher lustig anmutend immer wieder für Überraschungen sorgten. Nur eine Person im Lift und Frühstück auf dem Zimmer war in Paris angesagt. Als Gegenpol zeigten sich die Musikclubs an der Seine, wo hunderte Pariser und Pariserinnen ohne Masken an kleinen Tischen eng nebeneinander sassen... was wir nur im Vorbeigehen beim spazieren feststellten. Sie lebten dort, als hätte das Coronavirus nie existiert...

Die Hop-on Hop-off Busse fahren noch nicht. Also musste ein Privat-Bus mit deutsch sprechender Reiseleitung her. Wir konnten in Paris auf den Hotspots wie den Champs-Élysées die unbevölkerten Boulvards bestaunen. Die Terrasse des Trocadero, wo in Normalzeiten tausende Touristen stehen, war grad einmal mit etwa 20 bis 30 Personen besetzt. Der Eifelturm stand ohne Menschenmenge vor uns und beim Dom des Invalides waren wir absolut allein... So habe ich Paris noch nie erlebt. Den Nachmittag konnte jeder mit seiner Metro-Tageskarte ganz nach Lust und Laune verbringen. Die Metro ist zuzeit auch nicht überfüllt!

Die Heimfahrt war nicht wie geplant im TGV, nein, wir hatten einen Eurobus mit einem jungen lustigen Chauffeur und seiner Frau zum heimreisen. So waren wir keiner Gefahr im TGV über Stunden ausgesetzt.

Die Gäste, die zurzeit unterwegs sind, reisen aus Interesse, sind weltoffene Geniesser und haben mir den Abschied in die Pensionierung nicht leicht gemacht... Es war einfach eine tolle Reise mit mir sehr lieb gewordenen Menschen, dafür danke ich euch.


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