Mein Tag im Iran - Herzliche Begegnungen im Zagros-Gebirge

Bruno Bertschi | 09.07.2018

Mitte April flogen wir, begleitet von der äusserst fachkundigen Reiseleiterin Sabine Schneitter, nach Teheran. Die Reisegruppe wurde in Iran ergänzt mit einer versierten, sympathischen lokalen Reiseführerin und einem rücksichtsvollen Fahrer. Zusammen verbrachten wir 14 Tage im westlichen und zentralen Landesteil, wo wir rund 2‘000 Kilometer in Richtung  Süden zurücklegten. Die teilweise schneebedeckten Berge, die endlosen Wüstenlandschaften sowie die schönen Städte mit altorientalischen Kulturgütern und kunstvollen Moscheen haben uns fasziniert. Überrascht und beeindruckt haben uns aber auch die Fröhlichkeit, die Herzlichkeit und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.

Einen äusserst eindrücklichen Tag erlebten wir bei einer Wanderung im Zagros-Gebirge. Habib, ein lokaler Bergführer, erzählte uns am Morgen vom beschwerlichen Leben der Bakhtiari-Nomaden. Zu Fuss legen sie mit ihren Herden unglaublich weite Strecken zurück, überqueren Flüsse, hohe Pässe und sind dabei oft grosser Kälte ausgesetzt. Die Kinder können nicht zur Schule gehen und haben so als Erwachsene kaum eine Chance auf ein besseres Leben.

Auf unserer Wanderung entdeckten wir in der Ferne eine Nomadenfamilie. Habib erkundigte sich bei der Frau, ob wir sie besuchen dürfen. Sie war alleine mit ihren drei Töchtern. Die Mutter und die Kinder hatten ein sorgenvolles, trauriges Aussehen. Die Armut dieser Familie war für uns fast unerträglich: Sie besass einen Esel, ein Huhn, ein paar Schafe und Ziegen. Ihr Schlafplatz war – kaum einen Meter hoch – dürftig mit einer Plane bedeckt. Die wenigen Kleider die sie besassen lagen zum Trocknen auf Steinen. Die Kinder hatten kein Spielzeug. Sabine sagte: „Jeder von euch hat wohl in seinem Reisekoffer mehr, als die fünfköpfige Familie besitzt“. Nabi, der Ehemann und Vater war nicht anwesend. Er ging an jenem Tag in eine nahegelegene Stadt, wo er beim Roten Kreuz um ein Zelt für seine Familie bat. Wie wir später erfuhren, kehrte er nur mit einem Sack Reis zurück. Konsterniert verliessen wir die Nomadenfamilie.

Den Abend verbrachten wir bei Habib. Seine Familie hatte uns zum Nachtessen eingeladen. Wir waren noch immer betroffen – die Begegnung mit den Nomaden hatte uns alle tief beeindruckt aber auch bedrückt. Da fragte eine Reiseteilnehmerin Habib: „Was kostet ein Zelt für eine Nomadenfamilie?“ Habib antwortete: „rund 300 US$“. Die Reiseteilnehmerin überlegte: „Wenn jeder von uns 20 bis 25 US-Dollar oder Euro spendet, hätte die Familie wenigstens ein Zelt. Wer wäre bereit einen Beitrag zu leisten?“ Spontan legten alle Banknoten auf den Teppich. Habib bedankte sich, nahm das Geld und versprach, ein Zelt in Auftrag zu geben und dieses Nabi zu bringen.

Müde und etwas schwermütig kehrten wir zu unserer Unterkunft zurück. In der Nacht regnete es sintflutartig. Unsere Gedanken waren bei der Nomadenfamilie; bestimmt wurde ihr Schlafplatz überflutet und sie mussten wohl in der Kälte, durchnässt die Nacht verbringen.

Nach unserer Rückkehr teilte uns Sabine mit, dass Habib – dank unserer Spende – das Zelt beschaffen konnte. Ein paar Aufnahmen belegen, dass die Nomadenfamilie das Zelt auch erhalten hat.

Manchmal gehören nicht planbare Ereignisse zu den eindrücklichsten Erinnerungen einer Reise!


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