60 Jahre und kein bisschen leiser

Manon Wild | 25.02.2020

Was haben Baumeler Reisen und ich gemeinsam? Wir beide feiern Geburtstag, einen Runden, den sechzigsten! Baumelers Geburt fand in Luzern statt, meine in Antwerpen/Belgien. 1986 fasste ich den weisen Entschluss Autofahren zu lernen, obwohl ich mir gar keinen Wagen anschaffen wollte, denn ich wohnte zentral in Zürich, umzingelt von besten ÖV-Verbindungen zu meinem Arbeitsort in Zürich.

 

AUTOFAHREN

Ausser meiner Mutter wusste niemand im Freundeskreis oder familienintern von meinem Vorhaben. Meine Mutter zündete zu jeder Fahrstunde eine Kerze an. Nach 42 abgebrannten Kerzen erhielt ich gleich beim ersten Anlauf in Theorie und Praxis den Führerschein im Dezember 1986. Als ich dies freudig meinem Bruder mitteilte, meinte er lakonisch: “Telefoniere mir, wann du Auto fährst, dann bleibe ich zu Hause.“

 

REKOGNOSZIEREN

Gleich zu Beginn meiner Baumeler-Karriere, 1989, bekam ich die Gelegenheit verschiedene Touren zu rekognoszieren: In Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich und den Benelux-Länder. Zusammengezählt habe ich mehrere Tausend unfallfreie Kilometer im Ausland zurückgelegt und einiges erlebt.

 

ABENTEUER BALEAREN

Im Herbst 1989 flog ich nach Ibiza. Bereits im Sinkflug erkannte ich das 5-Sterne Hotel Los Molinos dank grosszügigem Umschwung. Ich zählte die Kreisel und prägte mir die Strassen ein bis zum Flughafen. Was für ein Glückspilz: Mir wurde ein rotes Auto eingeteilt! Es war klein, wendig und fuhr wunderbar, direkt und ohne Umwege bis zum Hotel. Als mir an der Rezeption mitgeteilt wurde, dass ich das Auto in der Tiefgarage parken müsste, überkam mich „ein metaphysisches Gruseln“. Ich war noch nie in alleine in eine Tiefgarage gefahren. Kaum war ich um die erste Kurve gebogen, knallte es: Die Stossstange wurde von einer unübersichtlichen Ecke getroffen und war völlig ramponiert. Der Telefonanruf an AVIS war erlösend: „No hay problemas, todo esta asegurado“! Fazit: Mir wurde als einziger Gast des Hauses immer das Auto vom Personal in die Tiefgarage gefahren. Das spanische Wort für Stossstange = parachoque weckt seither spezielle Erinnerungen wach.

Zwei Jahre später bekam ich die Gelegenheit Menorca, die östlichste gelegene Insel der Balearen, kennenzulernen. Wieder hatte ich die Strassenverhältnisse dank Kartenmaterial studiert (in der Steinzeit gab es noch kein Google Maps, Handy oder Navigationsgeräte). Der Abendflug verlief gut, das rote Auto fuhr flott vom Flughafen Richtung Norden mit Ziel Fornells. Ein verträumtes Fischerdorf in einer traumhaften fjordähnlichen Bucht. Ab Es Mercadal, Inselmitte, wurden die Wegweiser spärlicher und die Nacht immer dunkler. Ich konnte nur noch meinem Instinkt folgen. Als die Strasse immer kurviger und steiler wurden, stutzte ich. In der Dunkelheit stieg ich aus und entfaltete meine Michelin Karte im Licht des Scheinwerfers. Entsetzt stellte ich fest, dass ich den einzigen Berg Menorcas, den 475 m hohen Monte Toro, erklomm. In einem – für mich – waghalsigen Manöver wendete ich und kam erst um Mitternacht im Hotel in Fornells an. Gerade rechtzeitig, denn der Besitzer Carlos wollte gerade die Familienpension schliessen. Als ich später mit der Wandergruppe per Bus einen Abstecher auf den Monte Toro unternahm, wurde es mir doch schwindlig: Was für eine atemberaubende Aussicht und wie viele ungesicherte, enge Kurven! Fazit: Im Santuario habe ich gleich alle Kerzen angezündet und mich bei allen Heiligen für die schützende Hand bedankt.

 

ABENTEUER GROSSBRITANNIEN

Wie jeder weiss, fahren die Engländer „auf der falschen Seite“. Kein Problem für meine Reiseleiterkollegin Vreni, die mit mir Anfang der 90-er Jahre eine Velotour in Cornwall rekognoszierte. Die Automietstation des Flughafen Heathrow war „amazing“: Ein wahres Labyrinth, doch wir fanden stets die richtigen Routen. Einzig auf einsamen Landstrassen verursachten die vielen Hecken, „Roundabouts“ und Einmündungen Ermüdungserscheinungen bei Vrenis Konzentration. Ganz plötzlich, wie der Urknall, blaffte sie mich an: „Was machst du, wenn ich plötzlich an einem Herzanfall oder einem Schlaganfall mitten auf Cornwalls Strassen zusammenbreche?» Ich war irritiert: Wollte sie meinen medizinischen Erste-Hilfe-Kenntnisse testen? Ich antwortete: “Dazu bist du mit 42 Jahren viel zu jung!» Leider nützte das nichts und ich musste mich hinters Steuer setzen. Statt sanft zu gleiten, hüpfte das Auto schlingernd herum. Nach 100m entschied Vreni, sofort die Positionen zu wechseln: „Eher sterbe ich an deinen Fahrkünsten, als an einem Herzanfall.“ Fazit: Kein Widerspruch meinerseits und ich genoss weiterhin die herrlich grüne Landschaft auf dem Beifahrersitz.

 

FÜRSORGLICHE POLIZEIESKORTE

Elisabeth Lustenberger hingegen war die Ruhe in Person. Mit ihr zusammen flog ich nach Birmingham. Als gebürtige Schwedin erinnerte sie sich noch gut an den Linksverkehr. Ich überliess ihr grosszügig das Steuer und sie mir das Kartenlesen. Unser Ziel war Stratford-upon-Avon; Kultur und Natur. Das gemütliche Hotel lag ziemlich ausserhalb der entzückenden Kleinstadt, Geburtsort von William Shakespeare. Nach dem Theaterbesuch fuhren wir abends zum Hotel zurück. Wir lachten noch über den Sommernachtstraum von Shakespeare als plötzlich zwei gleissende Scheinwerfer von hinten unsere gemütliche Nachtfahrt unterbrach. Mit einem Ruck wurden wir von einem Polizeiauto mit blinkenden Sirenen überholt. Wegen des abrupten Stopps und die herannahende Polizistin schnellte unser Pulsschlag hoch und mit zittrigen Fingern kurbelte Elisabeth das Seitenfenster herunter. Auf die Frage: „Where are you from ladies?“ antwortete ich mit fester Stimme: „We are from Switzerland“. „Aha! Und wieviel mph (miles per hour) fährt man auf Englands Landstrassen?“ Diese Quizfrage beantwortete ich postwendend mit „40!“ „Exactly my dear, aber ihr fahrt nur 20 und dies löst eine Stauwelle bei den Kreiselübergängen hinter euch aus!“ Wir wurden unmissverständlich aufgefordert dem Polizeiwagen bis zum Hotel zu folgen. Immer wieder gab ich den Marschbefehl weiter an Elisabeth: „Gib Gas, wir dürfen das Polizeiauto nicht aus den Augen verlieren“. So sind wir in Überschalltempo blitzartig am Hotel angekommen, haben uns artig verabschiedet und versprochen die unterste Tempolimite nicht mehr zu unterschreiten. Fazit: Das erlösende Gelächter in unserem Hotelzimmer übertönte dasjenige im Theater um –zig Dezibel!

Ich schaffte eine unfallfreie „Reko“ in Apulien, nach dem ich vom Nachtzug gleich auf das Mietauto gewechselt hatte ebenso elegant, wie in Thüringen, als ich wegen Susanna ein Mietauto mit Automatik lenken musste, und und und…

Bei der nächsten Herausforderung, der Digitalisierung, stehe ich mitten drin im Geschehen. Mit viel Optimismus und Geduld schaffe ich auch dieses neue Kapitel.

Ich freue mich auf die kommende Baumelersaison: Sei es am Flyerfahren am Jubiläumsfest, durchs Baskenland oder im August von Basel nach Amsterdam, im Oktober auf Lanzarote oder zu Fuss in meiner Heimat Antwerpen und Umgebung, in Sussex zur Rosenblüte oder an der Nordsee in Cuxhaven.

„Tot ziens“ auf baldiges Wiedersehen!



Hinterlassen Sie uns einen Kommentar