Madeira – eine Liebeserklärung

Sarah Leuenberger | 29.03.2017

Schwimmender Blumentopf, Banana Island oder Insel des ewigen Frühlings, es gibt viele schöne Namen für Dich, mein liebes Madeira. Wortwörtlich übersetzt heisst Du ja eigentlich Holz. Weniger romantisch, finde ich. Aber dazumal, anno 1419, als Dich die Inselentdecker  vorfanden, da warst Du ganz überwuchert mit viel Wald. Ja Dein Loorbeerwald gilt heute sogar als UNESCO Weltnaturerbe, darauf kannst Du stolz sein. Man kann es den Inselentdecker nicht verübeln, dass sie Dir so einen hundskommunen Namen gaben, aber Du heisst nun einfach mal Holz. 

Als ich Dich zum ersten Mal sah, da war es um mich geschehen. Ich weiss noch ganz genau, wie ich bei Einbruch der Dunkelheit auf Dir gelandet bin. Deine Kurven liessen meinen Puls höher schlagen. Mit einem sympathischen und äusserst gesprächigen Taxifahrer  fuhr ich in Deinen Süden. Du duftest so gut! Die gesunde Luft hier, die Meeresbrise, Bananen soweit das Auge reicht, die Terrassenfelder und die hügelige Landschaft haben mich verzaubert. Leider konnte ich nur an Deiner Oberfläche kratzen. Ohne Auto und nur mit der eigenen Körperkraft  ist es schwierig, Dich richtig kennen zu lernen. Deine steilen Strassen, die vielen Tunnels und das eher langsame öffentliche Verkehrsnetz tragen auch nicht wirklich dazu bei. Ich wollte aber mehr von Dir! Deine schöne Fassade war eines, aber ich bin ja alles andere als oberflächlich….um den inneren Kern, ja genau, darum geht es doch im Leben!  Wer bist Du, Holz? Was ist Deine Lebensgeschichte? Deine Vorzüge, Interessen, Probleme und auch Deine Zukunftspläne interessierten mich.  Die Antworten darauf habe ich alle erhalten, allerdings erst vier Jahre später. 

Seit dem Jahr 2015 bin nun eine von Dir – eine von knapp 280’000 Inselbewohnern. Mittlerweilen kenne ich Dich ganz gut, ich würde sagen wir sind schon fast verheiratet miteinander. Auch Deinen Körper durfte ich erkunden, so zum Beispiel Deine vielen Lebensadern, die Levadas. Über die ganze Insel verteilt verlaufen sie, mal schneller mal stockender, mal eng und ursprünglich, mal betoniert und modern.  Deine natürlichen Wasserkanäle locken natürlich zahlreiche Touristen aus ganz Europa an. Viele Deutsche, Engländer, Franzosen aber natürlich auch Schweizer besuchen dich jahrein, jahraus. Recht haben sie! Wo sonst wird man 365 Tage im Jahr so warm und herzlich empfangen, wie auf Dir, Holz? Dein Gesamtpacket stimmt – würde jetzt der Bachelor zu einer seiner Kandidatinnen sagen. Nicht nur Wandervögel finden hier ihr Paradies. Auch Wasserratten und Abenteurer kommen auf ihre Kosten. Stand up Paddeln, surfen, tauchen, fischen, segeln, biken, canyoning, Jeep Safaris und noch vieles mehr wird hier angeboten. Du siehst, ich komme aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus…

ABER; wie in jeder Beziehung gibt es auch zwischen uns mal Streit. Manchmal fühle ich mich eingeengt von Dir. Verstehst du das? Da will ich mal etwas Freiheit, möchte mit meinen Freudinnen ein Wochenende in Lissabon verbringen und du schaltest auf stur. Der Flughafen ist deine Waffe. Du fängst vom einen auf den anderen Tag wie wild zu blasen an und deine Tränen schiessen auf die ganze Insel nieder. Die Flugzeuge müssen sich Deinen Launen anpassen und können nicht abheben - sind in Deinen Fängen, bis dass Du aufhörst zu weinen.

Das ist aber alles wieder vergeben und vergessen, wenn ich meinen Baumeler Wandergruppen von Dir erzähle. Wir bestaunen gemeinsam deine blühenden Jacarandas, geniessen die Aussicht in deiner Bergwelt vom Pico Arieiro (1818m) und kosten deine wunderbaren exotischen Früchte, welche du so schön auf dem Markt präsentierst. Wisst ihr eigentlich, was Madeira  auf Deutsch heisst?  frage ich meine neuangekommenen Gäste.  Meistens meldet sich keiner, nur selten rufen die topinformierten Alleswisser  „Hoooolz“ durch den Bus. 

Für mich aber bedeutet Madeira viel viel mehr als einfach nur “Holz”.


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