Madeira, erwanderbares Naturspektakel

Susi Schildknecht | 15.12.2016

Madeira, Funchal, Monte und Ortsnamen wie aus einem Botanischen Lexikon: Die Natur hat schon immer alles bestimmt auf Madeira. Am besten nähert man sich der Schönen sanft und mussevoll zu Fuss.

Madeira lässt sich nicht beschreiben, ohne ins Schwärmen zu geraten. Insel des ewigen Frühlings, Gottes Botanischer Garten, Perle des Atlantiks, Garten Eden, nichts davon ist übertrieben. Kontraste und Vielfalt der Natur sind Programm und erfreuen die Sinne. Der Frühling, er beginnt auf Madeira schon im Februar, ist die schönste Jahreszeit für einen Besuch. Nie wird das Auge mit grösserer Farbenpracht erfreut, nie geben Blüten und Blumen ihre Düfte verschwenderischer an die Umgebung ab. Tief durchatmen wird zu einem unvergesslichen Erlebnis!

Levadas und Wanderwege

Charakteristisch für Madeira sind steil ins Meer abfallende Küsten und bewaldete Gebirge im Innern. Um Quell- und Regenwasser zu den Siedlungen und landwirtschaftlich nutzbaren Flächen zu leiten, wurden schon vor 500 Jahren künstliche Bewässerungskanäle angelegt. Diese offenen Wasserläufe sind meist etwa 50 cm tief und heissen Levadas (levar = portugiesisch für mitnehmen/bringen). Sie stellen eine grossartige Ingenieursleistung und ein prägendes Merkmal Madeiras dar. Rund 2150 Kilometer Levadas schlängeln sich mit exakt berechnetem Gefälle jedem noch so schwierigen Gelände entlang. Die Erbauer schlugen Tunnels und Galerien in die Felsen, fertigten Stützmauern und Weglein für den Unterhalt der Wasserläufe an. Heute werden die Levadas und die parallel dazu, meist im Schatten verlaufenden Pfade vor allem für den Wandertourismus gepflegt. Ohne sie wären die steilen und aussichtsreichen Berghänge mit ihrer reichen Vegetation schlicht und einfach unzugänglich. Welch ein Glück für die Besucher!

Die Levada Nova verläuft der Südwestküste entlang durch verwunschene Lorbeerwalder und steile Flanken voller Adlerfarn, Bartmoos, Agapanthus und Ginster, aber auch durch kleine Dörfer und Gärten. Unterwegs eröffnen sich immer wieder herrliche Ausblicke aufs Meer. Besonders in der Nähe sprudelnder Wasserfälle sind viele Vogelarten zu beobachten, darunter etwa das seltene Goldhähnchen. Von Ribeira Brava ist es nicht mehr weit zum Cabo Girão, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Schroff und 580 Meter tief fällt hier die zweithöchste Steilküste der Welt ins azurblaue Wasser. Atemberaubend! Erst recht, wenn man auf dem Glasboden des Skywalks den natürlichen Abgrund übertritt. Der Südwesten hat aber auch ganz andere Seiten: Romantiker lieben die Rosmarin-Levada über die Hochebene Paúl da Serra auf 1600 m.ü.M. Hier überwiegen liebliche, mannshohe Erika, Heidelbeerbäume, Knabenkraut und Gänsedistel.

Porto Moniz an der äussersten Nordwestküste wartet mit einer Überraschung auf. Aus vulkanischem Fels geformte, natürliche Meeresschwimmbecken laden zum Bade. Für täglich frisches Wasser in den Lava-Pools sorgt dabei die Flut. Last but not least sollte an diesem überaus idyllischen Ort auch die Arbeit der lokalen Fischer und Weinbauern gewürdigt werden. Saude! Gesundheit!

Madeiras Urwald als Weltnaturerbe

Szenenwechsel: Der Pico do Arieiro ist mit seinen 1818 m.ü.M. der dritthöchste Gipfel der Insel und bequem mit dem Auto erreichbar. Vom Aussichtspunkt aus ist das Bergpanorama unübertrefflich, und bei klaren Verhältnissen ist sogar die 30 Seemeilen entfernte und ebenfalls zum  Madeira-Archipel gehörende Insel Porto Santo zu sehen. Das satte Grün der Nordküste hat eine magische Anziehungskraft, und der von der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannte Laurissilva-Wald ist ein weiterer guter Grund hinzufahren. Er gilt als Reliquie der subtropischen Wälder Südeuropas und des Mittelmeerraumes zur Zeit des Tertiärs.  Rund 15‘000 Hektar umfasst dieser grösste und am besten erhaltene Lorbeerwald der Welt. Hier wachsen verschiedenste Hartlaubgewächse, Farne, Moose, Flechten, Lebermose und viele andere kleinwüchsige Pflanzen, darunter auch zahlreiche endemische Arten. An Naturschönheit ist diese Landschaft kaum zu überbieten. Äusserst fotogen präsentiert sich zudem das idyllisch zwischen Wald und Meer gelegene Dörfchen Santana mit seinen strohgedeckten Häusern.

Der Garten als Hommage an die Natur

Madeira präsentiert vielerorts die Natur auch in kultivierter Form, sprich in Parks und Gärten. State of the Art ist etwa der Botanische Garten unweit der Hauptstadt Funchal mit seinen Arealen für einheimische Gewächse, Baumarten, Sukkulenten, Nutzpflanzen und einem Vogelpark. Über 2000 fein säuberlich beschriftete Pflanzen laden zum Verweilen und Staunen ein, der Ort ist ein Kunstwerk und ein Muss für Pflanzenliebhaber.

Überwältigende Klippenlandschaften

Einen Besuch wert ist Machico, die im Osten gelegene älteste Siedlung. In dieser geschützten Bucht mit einem der wenigen Sandstrände landeten nicht nur die Entdecker der Insel, sondern nach ihnen auch immer wieder Piraten. Die Bewohner verteidigten ihr schönes und sehr fruchtbares Fleckchen hartnäckig, so dass hier bis heute zwei Forts und die inselälteste Kirche besucht werden können. Die Landwirtschaft floriert, was eine Levada-Wanderung durch die üppige und schöne Vegetation deutlich macht.  Mit überwältigender Klippenlandschaft fernab jeder menschlichen Zivilisation lockt das Naturschutzgebiet der neun Kilometer langen Ponta de São Lourenço. Nebst endemischer Flora und vielen Vogelarten sind hier manchmal auch Seelöwen zu beobachten. Dieser östlichste Punkt Madeiras bietet spektakuläre Aussichten auf Teile der dramatisch dem Meer ausgesetzten Nordküste und der besser zugänglichen südlichen Küste.

Der Abschied von der Insel fällt schwer. Ein tröstender Tipp: In der historischen Halle des ‚Mercado dos Lavradores‘ in der Altstadt von Funchal begegnet man – meist zum Abschluss einer Madeira-Reise - nochmals der ganzen Fülle von Obst und Gemüse sowie wunderbar- exotischen Blumen, welche die Händlerinnen geschickt in flugzeugtaugliche Kartons verpacken. Sie sind lange haltbar und schön. Ganz ohne Verfalldatum dürften jedoch die auf Madeira so intensiv erlebten Sinneseindrücke sein.


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